Oakmore – Labrador Retriever

7. Aug. 2022

Was ein Welpe in den ersten Wochen lernen sollte

Die Erziehung eines Welpen beginnt direkt, wenn er in seinem neuen Zuhause angekommen ist, seine Ausbildung hingegen kann noch ein bisschen warten.

Siehe dazu auch: Bindung, Beziehung und Erziehung vs. Ausbildung

Natürlich muss man wie bei allen Dingen in der Hundeausbildung erst einmal ein Verständnis dafür entwickeln,
 
welche Eigenschaften der Welpe natürlicherweise durch seine Rasse und seinen Charakter mitbringt, um einem eventuellen "Über- oder Unterangebot" bei erwünschten oder unerwünschten Merkmalen entgegensteuern zu können. Es geht allerdings auch darum, eine Balance zu finden und nicht (egal ob bewusst oder unbewusst) ein Extrem in irgendeine Richtung zu fördern.

Daher ist die Wahl dessen, was der Welpe als erstes lernen soll, nicht immer das, was mir oder ihm am meisten Spaß macht, aber vielleicht, was er am dringendsten benötigt, um eine gute Beziehung zu mir aufbauen zu können und ein ruhiger und gelassener Begleiter im Alltag zu werden.

Kommunikation

Das Allerwichtigste ist daher erst einmal die Kommunikation und die lernt ein unter guten Umständen aufgewachsener Welpe schon von seiner Mutter. Denn auch die Hündin lässt gewisse Dinge von Anfang an nicht durchgehen. Zum Beispiel signalisiert sie ganz deutlich, wenn sie etwas Fressbares oder einen Gegenstand für sich beansprucht, dem der Welpe sich dann nicht nähern darf. Andererseits belohnt sie den Welpen für respektvolles Verhalten und überlässt ihm vielleicht etwas Interessantes, sofern er sich erst einmal zurückgenommen hat und auf eine Freigabe gewartet hat.

Letzteres geschieht aber tatsächlich nur von dem Welpen nahestehenden Hunden, die sich in einer Erziehungsrolle sehen. Fremde Hunde untereinander machen dies nicht und verteidigen ihre Ressourcen ggf. sehr vehement und mit Folgen. Daher ist es ungemein wichtig, dass der Welpe lernt, ein Tabu zu akzeptieren und damit klarzukommen, dass er auch sehr oft etwas gar nicht haben darf.

Die Hauptbezugsperson des Welpen muss also die von der Mutter begonnene Erziehung weiterführen und vorausschauend agieren, damit weder andere Menschen, noch andere Hunde sich in die Lage versetzt fühlen, dem Welpen gegenüber ihre Grenzen aufzeigen zu müssen.

Um dabei nicht plötzlich und unvorbereitet handeln zu müssen, stellt man zunächst eine Situation für den Welpen künstlich her. So ist man selbst bestens vorbereitet und kann ein Fehlverhalten des Welpen präzise korrigieren und genau beobachten, wie er darauf reagiert.

Dazu nimmt man etwas sehr hochwertiges Fressbares, was der Welpe auf jeden Fall möchte, z. B. ein Würstchen und setzt sich damit auf den Fußboden. Bereits jetzt muss man auf eine mögliche notwendige Korrektur eingestellt sein, weil es sein kann, dass der Welpe versucht an einem hochzuspringen oder auf einem herumzuklettern, um an das Würstchen zu kommen. Ich muss mir also schon im Vorfeld überlegt haben, wie die Korrektur in so einem Fall aussehen wird.

Ich persönlich nutze ein Verbotswort (z. B. äh äh) und setze dann eine taktile Korrektur hinterher, wenn der Hund nicht stoppt. Optisch entspricht diese Korrektur einem Anstubsen, was dem Hund jedoch keinerlei Schmerzen zufügen, sondern nur eine Botschaft übermitteln soll. Das Entscheidende dabei ist nämlich die Energie und die Spannung, mit der man die Bewegung ausführt bzw. dem Hund auf sein Verhalten entgegnet. Es entspricht einem verbalen ,,Hey!" oder ,,Stopp!", welches ich zur Unterstützung auch aussprechen kann. Man muss sich jedoch im Klaren darüber sein, dass das Wort alleine ohne die entsprechende Energie in der Körpersprache für den Hund keinerlei Bedeutung hat.

Ruhe im Haus und kein Stalken

In der hündischen Kommunikation geht es außerdem immer um die Frage, wer wen bewegt (also zum Beispiel zum Spiel auffordert) oder aber stoppt und korrigiert (zum Beispiel bei hoher Energie, die unter Hunden nicht erwünscht ist).

Daher sollte man schon gleich zu Beginn ein Auge darauf haben, ob gewisse Handlungen den Hund dazu veranlassen aufzuspringen oder einem hinterherzulaufen. Ist dies der Fall, signalisiere ich auch hier körpersprachlich, dass ich diese (hohe) Energie nicht toleriere und begrenze das Loslaufen. Um für den Hund sehr eindeutig zu sein, ist es ideal dies mit dem Deckentraining zu verbinden. So ist es auch für den Menschen optisch eindeutig, ob der Hund die Begrenzung akzeptiert oder doch (heimlich) ein paar Zentimeter hinterhergekommen ist.

Aber auch wenn der Hund vermeintlich lieb und unauffällig ist und eine geringe Energie aufweist, kann es sein, dass er einen (unaufgefordert) auf Schritt und Tritt verfolgt. Auch dann sollte man die Situation genau beobachten und ggf. korrigieren, damit sich hier kein Automatismus ausbildet, in dem der ehemals ruhige Hund plötzlich nicht mehr tief und fest schläft, aus Angst den Moment zu verpassen, in dem man den Raum verlässt.

Leinenführigkeit

Auch bei der Leinenführigkeit geht es um Kommunikation und Begrenzung. Die Leine ist hierbei nur eine Absicherung des Hundes außerhalb des Hauses und nicht das Kommunikationsmittel. Das bedeutet, dass die Leine nicht dazu da ist den Hund in eine spezielle Position zu bringen oder dort zu halten. Denn auch dies geschieht über die körpersprachliche Kommunikation und die Begrenzung auf eine gewisse Position oder einen kleineren Bereich, in dem sich der Hund aufhalten darf ohne dabei die Leine zu spannen.

Ruhe in neuen Situationen

In neuen Situation muss der Welpe lernen, dass für ihn hier die gleichen Regeln gelten wie zuhause und dass er sich auch hier z. B. auf seiner Decke entspannen kann. Hierbei ist es wichtig, die Reize sukzessiv und dem Temperament des Welpen angepasst zu steigern.

Rückruf

Je sicherer der Rückruf, umso mehr Freiheit kann man dem Hund gewähren. Das reine Kommando ist zwar über Futter oder ein Spielzeug auf eine Belohnung konditioniert, aber mit einer guten Kommunikation z. B. über die Leinenführigkeit und der Begrenzung und Korrektur im Alltag wird die Belohnung noch einmal aufgewertet, da der Hund gerne und freudig zu einem kommt, weil es für ihn selbstverständlich geworden ist, angeleitet zu werden und keine (großen) eigenen Entscheidungen zu treffen.

Respektvolles Miteinander

Anspringen, beißen, anrempeln, anbellen und alles andere was unhöflich ist, wird auch unter Hund konsequent und ohne Nachsicht korrigiert. Nähern darf sich nur, wer höflich und zurückhaltend agiert und nicht mit einer überschäumenden Energie auf einen zustürmt. Daher ist dies natürlich auch gegenüber Menschen verboten und wird begrenzt oder wenn es (z. B. beim Anbellen oder Fiepen) dem reinen Zweck dient, Aufmerksamkeit zu bekommen auch mal gänzlich ignoriert.

Interessante Dinge zu seinem Menschen bringen

Gerade bei Apportierhunden, die schon recht früh von sich aus Dinge tragen, liegt es natürlich nahe, mit ihnen schon das Zutragen zu üben. Dies ist auch völlig legitim. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass „Zutragen oder Bringen“ nicht das Gleiche sein sollte wie Apportieren, wo ein wesentlich stärkerer Gehorsam verlangt wird. Wenn der Hund etwas findet oder aufnimmt und trägt, sollte ich ihn natürlich immer dazu motivieren es zu mir zu bringen und ihm dafür ein Tauschgeschäft anbieten. Denn auch hier arbeite ich an der Beziehung und dem Vertrauen zu mir. Auch für einen Apportierhund ist es nämlich erst einmal nicht selbstverständlich Beute abzugeben. Wenn er aber erst einmal verstanden hat, dass er durch das Zutragen nicht nur ein großes Lob bekommt und man ihn ganz toll findet, sondern er auch noch ein Leckerlie oder sein Lieblingsspielzeug im Tausch erhält, wird er dies in Zukunft sehr gerne tun, weil er etwas davon hat.

Wann starte ich mit „ernsthaften“ Übungen?

Wenn also alle zuvor genannten grundlegenden Dinge gut funktionieren und der Welpe somit die meiste Zeit mit einer ausgeglichenen Energie durch den Alltag geht, kann man beginnen „Ausbildungselemente“ einzubauen,
 
wie z. B. Sitz (mit Wartezeit), Platz, Fuß (in einer festen Position), (ernsthaftes) Apportieren oder diverse Tricks.

Jedes dieser Dinge und die entsprechende Belohnung dazu wird nämlich ggf. erst einmal dafür sorgen, dass das Erregungslevel des Welpen steigen wird, weil er sich konzentrieren muss und vielleicht auch manchmal verunsichert ist, weil er nicht sofort versteht, was von ihm verlangt wird, er es aber unbedingt richtig machen möchte. Dafür muss sein „Basislevel“ natürlich erst einmal so weit wie möglich runtergefahren sein und er muss es gewohnt sein, korrigiert zu werden, ohne dass dadurch für ihn die Welt untergeht.

Daher sollte man sich auf gar keinen Fall dazu hinreißen lassen, mit einem Welpen zu früh „ernsthafte“ Dinge für seine Ausbildung zu üben, sondern den Fokus vor allem auf Kommunikation und Beziehung legen.

Es ist sogar gut, wenn der Welpe sich auch mal langweilt bzw. Langeweile gar nicht kennt, weil es für ihn völlig normal ist, dass man einfach mal ohne etwas Richtiges zu tun auf einer Wiese sitzt oder auf einer Bank. Dass vorbeigehende Menschen nicht in seine Richtung kommen, weil es um ihn geht, sondern einfach weil sie dort lang gehen. Dass man auch mal Auto fährt, ohne irgendwo anzukommen, wo etwas für ihn Spannendes passiert, sondern er dann mal kurze Zeit warten muss und es dann einfach wieder nach Hause geht.

Steigert man das Stresslevel nämlich nicht langsam genug, wird es immer schwerer den Hund anschließend wieder herunterzufahren. Tritt dann durch regelmäßige Abläufe auch noch eine Erwartungshaltung ein und ist der Hund durch schnelle Abfolgen und damit schnellen Belohnungen erfolgsverwöhnt, kann daraus letztendlich nur irgendwann ein Fehlverhalten resultieren, wenn der Hund dann plötzlich auf etwas länger warten muss.

Was ist zu viel?

Vermutlich ist jedem klar, dass wenn der Welpe bisher für ein „Sitz“ sofort wenn das Hinterteil den Boden berührt hat, einen Keks bekommen hat, man nicht plötzlich verlangen kann, dass er dort 5 Minuten sitzen bleibt, bevor er seine Belohnung bekommt.

Beim Apportieren sieht es da aber vielleicht etwas anders aus. Da verlangt man mal eben kurz, dass der Welpe brav sitzen bleibt, während man ein Dummy wirft, er dann erst auf Freigabe losläuft, den Weg zum Dummy zurücklegt, ihn aufnimmt, ihn auf direktem Weg zurückbringt und ihn abgibt.

Dies ist jedoch bereits eine komplette Handlungskette, die der Welpe erst einmal in Einzelteilen lernen sollte, auch wenn es uns so vorkommt, als wäre es nur eine einzige Handlung.

Durch die Zerlegung der Handlungskette in Einzelteile kann der Hund jedoch viel einfacher verstehen, worum es geht und was genau von ihm verlangt wird, da man dann auch punktgenauer loben oder korrigieren kann.

Beim Apportieren übt man also zuerst z. B. nur das mittige Halten des Dummys im Sitzen, wobei man allerdings auch hier schon gezwungenermaßen das auf Kommando „aus der Hand nehmen“ und das „Ausgeben“ ebenfalls trainieren muss und die Übung gar nicht auf nur eine Sache reduzieren kann.

Danach nimmt man das „Aufnehmen“ auf Kommando vom Boden dazu und lässt es sich in die Hand geben. Klappt dies gut, kann man nachdem der Hund das Dummy aufgenommen hat, ein paar Schritte rückwärts gehen und hat dadurch die Komponente „Bringen“ hinzugefügt.

Anhand dieses Beispiels kann man bereits sehen, wie komplex eine Handlung sein kann, die wir von unserem noch jungen Hund erwarten. Daher kann es gerade bei „ernsthaften“ Übungen sehr leicht zu Momenten der Überforderung kommen. Am Anfang kompensieren Hunde dies noch sehr gut und zeigen ihre Überforderung nur in sehr geringem Maße, wodurch man es vielleicht auch gar nicht merkt, selbst wenn man seinen Hund gut beobachtet.

Es kann daher helfen, ein Trainingstagebuch zu führen. Darin schreibt man alles auf, was man mit dem Hund bewusst geübt hat, aber nimmt sich auch immer ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken, was der Hund denn alles so „nebenher“ an diesem Tag lernen musste.

Außerdem sollte man generell jede neue Übung vorher mindestens gedanklich, besser aber noch schriftlich einmal durchgehen, um sich bewusst zu machen, aus welchen Schritten sie besteht und ob man sie ggf. erst einmal auf weniger Einzelschritte reduzieren kann.

Natürlich geht es nicht darum, den Hund „in Watte zu packen“ damit er ja keinen Stress hat. Im Gegenteil. Er soll ja lernen mit Stress umgehen zu können. Dafür ist es aber wichtig, die Menge entsprechend zu dosieren, langsam zu steigern und einen Plan parat zu haben, um den Stress bei sichtlicher Überforderung auch wieder reduzieren zu können. Hat man also eine Übung zu schwer geplant, sodass der Hund sie noch nicht schafft, macht man sie einfacher und wenn es dann geklappt hat, hört man erst einmal auf und macht etwas ganz anderes, was er bereits richtig gut kann und wobei er die angestaute Energie wieder abbauen kann, z. B. Kekse im Gras suchen oder auch einfach fröhlich ein Stück gemeinsam zu rennen.

Denn genau diese Momente, wo man einfach unbeschwert mit seinem Hund Spaß hatte, werden auch diejenigen sein, die rückblickend am Wichtigsten waren und nicht die, wo der Hund etwas besonders früh oder besonders perfekt gemacht hat.

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