Genetische Vielfalt in der Zucht und warum sie so wichtig ist (COI, AVK, COP, COD)
- Oakmore – Labrador Retriever

- 9. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Sept.
Was bedeutet Inzucht?
Wie bei vielen Hunderassen geht auch der Labrador Retriever ursprünglich auf nur wenige Gründertiere zurück. In den Ahnentafeln tauchen deshalb zwangsläufig immer wieder dieselben Vorfahren auf.
Wenn gezielt verwandte Hunde miteinander verpaart werden, spricht man von Inzucht oder Linienzucht.
Ziel war oft, bestimmte Eigenschaften, wie etwa Aussehen oder Arbeitsleistung, stärker zu verankern.
Doch dieser Weg hat auch Schattenseiten:
Weniger genetische Vielfalt → die Nachkommen sind sich genetisch immer ähnlicher
Erhöhtes Krankheitsrisiko → Fehler im Erbgut treten häufiger in Erscheinung
Folgen für die Gesundheit → verringerte Fruchtbarkeit, Welpensterben, Erbkrankheiten
Warum ist genetische Vielfalt so wichtig?
Eine breite genetische Basis bedeutet, dass in der Rasse viele unterschiedliche Gene vorhanden sind. Je größer die Vielfalt, desto robuster ist die Population. Das Risiko, dass sich zwei fehlerhafte Gene „treffen“ und eine Krankheit auslösen, sinkt deutlich.
Fehlt diese Vielfalt, steigt das Risiko, dass sich Erbkrankheiten festsetzen. Beim Labrador ist Epilepsie ein bekanntes Beispiel, aber auch andere gesundheitliche Probleme können sich häufen, wenn zu eng gezüchtet wird.
Welche Kennzahlen helfen bei der Beurteilung?
Um einschätzen zu können, wie eng Hunde verwandt sind und wie groß die genetische Vielfalt ist, wurden verschiedene Kennzahlen entwickelt:
COI – Coefficient of Inbreeding (Inzuchtkoeffizient)
Der COI gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der ein Individuum von beiden Eltern das gleiche Stück Erbgut von einem gemeinsamen Vorfahren erbt.
Die Werte reichen von 0 % (keine Inzucht) bis 100 % (nur theoretisch möglich).
Ein niedriger COI reduziert das Risiko für genetische Probleme. Ein hoher COI erhöht die Ähnlichkeit der Nachkommen, kann aber Vitalität und Gesundheit beeinträchtigen. Deutliche negative Effekte zeigen sich ab einem COI von etwa 5 %. Bei 10 % gibt es bereits erhebliche Verluste an Vitalität und ein erhöhtes Auftreten schädlicher rezessiver Mutationen.
Beispiele für Verpaarungen:
Cousins: COI ≈ 6,25 %
Halbgeschwister: COI = 12,5 % Vollgeschwister: COI = 25 %.
Vater-Tochter/Mutter-Sohn: COI = 25 %
Selbst wenn DNA-Tests für bestimmte Erkrankungen durchgeführt werden, bleiben viele rezessive Mutationen unentdeckt. Daher ist der COI nach wie vor ein wichtiges Maß für das genetische Risiko bei der Zucht. Für die genaueste Berechnung sollte der COI idealerweise auf mindestens 8–10 Generationen basieren, besser noch auf allen bekannten Ahnen bis zu den Gründertieren.
Mehr dazu und ausführliche Hintergründe liefert das Institute of Canine Biology.
AVK – Ahnenverlustkoeffizient
Beim AVK wird berechnet, wie viele verschiedene Ahnen in einer Ahnentafel tatsächlich vorkommen, verglichen mit der theoretisch möglichen Zahl. Alle doppelt vorkommenden Ahnen werden entsprechend nur einmal gezählt.
AVK = 100 % bedeutet keine Ahnenwiederholung. Je niedriger der AVK, desto mehr Wiederholungen und desto größer die Wahrscheinlichkeit erhöhter Inzucht.
COP – Coefficient of Parentage (Verwandtschaftskoeffizient)
Beim COP wird die Verwandtschaft zwischen zwei Tieren berechnet, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewähltes Allel bei beiden durch Abstammung identisch ist.
Er wird benötigt, um den COI der Nachkommen und den COD (Koeffizient der Diversität) der Paarung zu berechnen.
Beispiele:
Cousins: COP = 0,0625
Halbgeschwister: COP = 0,125
Vollgeschwister: COP = 0,25
Vater-Tochter/Mutter-Sohn: COP = 0,25
COD – Coefficient of Diversity (Koeffizient der Diversität)
Der COD berechnet, wie verschieden die Gene zweier Tiere sind und gibt damit den Grad der genetischen Vielfalt in einer Population oder einem Individuum an.
Er ergibt sich direkt aus dem COP (Verwandtschaftskoeffizient): COD = 1 - COP
COD = 1 (100 %) bedeutet maximale Diversität,
COD = 0 bedeutet keine Diversität
Praktische Anwendung
Ein niedriger Wurf-COI wirkt auf den ersten Blick positiv, sagt aber allein nur wenig aus. Denn stammt ein Deckrüde oder eine Hündin selbst aus stark ingezüchteten Linien, bleibt diese genetische Enge auch in den Nachkommen bestehen.
Daher sollte man neben dem Wurf-COI auch Folgendes berücksichtigen:
Den eigenen COI der Elterntiere
Welche Ahnenwiederholungen es über mehrere Generationen gibt
Wie groß ist die Linienvielfalt und genetische Diversität (z. B. COD oder Heterozygotie)
Liegt noch kein rechnerischer Wert vor, lässt sich die genetische Breite auch selbst einschätzen, wobei der AVK helfen kann (z. B. The Breed Archiv – Labrador Retriever).

Hund 1:
In 5 Generationen sind theoretisch 62 Ahnen möglich. Bei Hund 1 tauchen nur 60 verschiedene Ahnen auf, da es in der 5. Generation 2 Doppelungen gibt. Der Ahnenverlust liegt bei etwa 3,2 % und der AVK bei etwa 96,8 %.
Hund 2
Bei Hund 2 sind von den 62 möglichen Ahnen nur 53 verschiedene Ahnen vorhanden, da es mehrere Doppelungen in der 4. und 5. Generation gibt. Der Ahnenverlust liegt bei etwa 14,5 % und der AVK bei etwa 85,5 %.
Bei der Analyse eines potenziellen Deckpartners sollte man darauf achten:
Generation 1–3: Keine Ahnen doppelt
Generation 4: Besser keine Ahnen doppelt
Generation 5: Besser keine Ahnen doppelt und wenn dann nur sehr vereinzelt.
Bei der Analyse der geplanten Verpaarung:
Generation 1–4: Keine Ahnen doppelt
Generation 5: Besser keine Ahnen doppelt und wenn dann nur sehr vereinzelt.
Optimal wäre keine Doppelungen in Generation 1-5!
Um dem Verlust der Ahnenvielfalt entgegen zu wirken, sollte der AVK über 5 Generationen 95 % nicht unterschreiten (entspricht einem Ahnenverlust in % kleiner 5)
COI, AVK und COD haben einzeln leider nur eine begrenzte Aussagekraft. Erst gemeinsam ergeben sie ein realistisches Bild des genetischen Risikos und sollten in die Bewertung einer geplanten Verpaarung daher stets gemeinsam und in Abwägung voneinander einfließen.
Um diese Zusammenhänge noch klarer zu machen, lohnt sich ein Blick auf die Beziehung zwischen COI und genetischer Vielfalt. Denn nicht nur der reine Inzuchtkoeffizient zählt, entscheidend ist auch, wie viele unterschiedliche Gene tatsächlich im Erbgut vorhanden sind.
Die folgende Grafik zeigt, welche Kombinationen möglich sind und welches Risiko sie jeweils für die Gesundheit der Nachkommen bergen.

Ein niedriger Inzuchtkoeffizient (COI) reduziert das Risiko für Erbkrankheiten und genetisch bedingte Schwächen. Werte unter 5 % gelten als akzeptabel, unter 2 % als sehr günstig. Ebenso wichtig ist eine hohe genetische Diversität: Liegt sie über 70 %, besteht ausreichende Variation, Werte über 80 % zeigen eine sehr hohe Vielfalt.
Die Kombination aus niedrigem COI und hoher Diversität minimiert das Risiko von Inzuchtproblemen und ist daher ideal für eine gesunde Zucht und sollte entsprechend angestrebt werden. Auf gar keinen Fall sollten daher Verpaarungen geplant werden, die den jeweiligen Rassedurchschnitt weiter verschlechtern.
Ahnentafel-basiert vs. genetische Analyse
Bisher basierten COI und genetische Vielfalt (COD) ausschließlich auf den hinterlegten Stammbäumen. Genomische Analysen können jedoch inzwischen direkt die DNA messen und liefern COI- und Diversitätswerte aus den genetischen Daten.
Genomischer COI
Ein genomischer COI misst die tatsächliche Homozygotie im Genom und zeigt Inzucht auch aus unbekannten oder nicht dokumentierten Vorfahren. Er erlaubt genauere Rückschlüsse auf das genetische Risiko für die Nachkommen und ist unabhängiger von lückenhaften Stammbäumen. Daher ist ein genomischer COI einem berechneten (Ahnentafel-basierten) COI immer vorzuziehen.
Heterozygotie
Anteil der genetischen Merkmale (SNPs), bei denen ein Hund unterschiedliche Varianten von Mutter und Vater vererbt bekommen hat. Im Rassevergleich sind Tiere mit hoher Heterozygotie nach aktuellem wissenschaftlichem Stand weniger von Inzucht betroffen als Tiere niedriger Heterozygotie. (Quelle: Labogen.com)
Die Heterozygotie und der genomische COI sind neue und wichtige Werte, die nun ebenfalls in die Zuchtplanung mit einbezogen werden sollten und perspektivisch die rechnerischen Werte ablösen werden. Außerdem stellen sie eine große Chance für die Zucht dar: Verpaarungen können gezielt so gewählt werden, dass möglichst viel genetische Vielfalt erhalten bleibt. Damit wird die Rasse langfristig gesünder und Krankheiten könnten deutlich eingedämmt werden.
Hinweis zu DNA-Profilen im DRC (Partnerlabor Certagen)
Im DRC (Deutscher Retriever Club) ist seit dem 01.01.2025 das ISAG-2020-DNA-Profil für die Zuchtzulassung aller Retriever verpflichtend und löst das bisherige seit dem 01.01.2011 genutzte ISAG-2006-Profil ab.
Ab dem 01.01.2026 wird zusätzlich von allen Welpen spätestens bei der Wurfabnahme per Backenabstrich DNA eingelagert und ein Profil erstellt. Wird ein ausländischer Deckrüde oder ein Rüde aus einem anderen VDH-Verein eingesetzt, für den noch kein ISAG-2020-Profil vorliegt, erfolgt vor dem Deckakt ebenfalls ein Backenabstrich und die Einsendung ins Labor.
Das bedeutet:
Die Abstammung lässt sich zweifelsfrei nachweisen
Der COI und die Diversität (Heterozygotie) können genomisch, also direkt an der DNA, gemessen werden
Jeder Welpe erhält individuelle Werte, statt nur einen rechnerischen Durchschnitt für den ganzen Wurf
Durch die Einlagerung der Proben, können bei Bedarf jederzeit Gentests nachbestellt werden
Hinweis: Das ISAG-2006-Profil und das ISAG-2020-Profil sind nicht miteinander vergleichbar, da die Anzahl der untersuchten Marker erheblich erweitert wurde und die Marker selbst ebenfalls optimiert wurden. Für Hunde die nach dem 01.01.2025 zur Zucht eingesetzt werden, muss ein neues ISAG-2020-Profil erstellt werden, auch wenn bereits ein ISAG-2006-Profil vorliegt.
Links zum Thema:
The Breed Archiv – Labrador Retriever (Stammbaumanalyse mit COI und AVK)
K9-data.org (noch im Aufbau, Stammbaum-basierter COI und COD)
Labogen Diversity Check (Genetische Diversität Artikel und FAQs)















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